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ws2223:projekt_hoehenformel [2023/05/15 09:49] Jakob_Hoffmann [Historisches] |
ws2223:projekt_hoehenformel [2023/05/15 10:11] (aktuell) Jakob_Hoffmann [Historisches] |
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*"When Perrin seized upon Brownian movement as a phenomenon for detailed study, many mysteries had been illuminated, though irksome questions still remained. There was in the current colloid literature a renewed interest in the Brownian particles as a thing in themselves, with opinion still divided over the cause of their activity. [...] Perrin moved into a new direction for proofs of the kinetic theory as a cause of Brownian movement." (Nye 1972, S. 102) \\ | *"When Perrin seized upon Brownian movement as a phenomenon for detailed study, many mysteries had been illuminated, though irksome questions still remained. There was in the current colloid literature a renewed interest in the Brownian particles as a thing in themselves, with opinion still divided over the cause of their activity. [...] Perrin moved into a new direction for proofs of the kinetic theory as a cause of Brownian movement." (Nye 1972, S. 102) \\ | ||
- | //Eine kurze Einführung zur Person Jean Perrin und zur Ausgangslage der Forschung zur Brownschen Bewegung findet sich [[ws2223:mathesis_meets_histlab_im_wintersemester_2022_23|hier]].// | + | // [[ws2223:mathesis_meets_histlab_im_wintersemester_2022_23|Eine kurze Einführung zur Person Jean Perrin und zur Ausgangslage der Forschung zur Brownschen Bewegung findet sich hier]].// \\ |
- | Einer der frühesten Ansätze Perrins, der eine Brücke schlägt zwischen der Brownschen Bewegung und der kinetischen Gastheorie, beleuchtet die vertikale Verteilung der Dichte von Teilchen im Größenmaßstab beobachtbarer Brownschen Bewegung, über verschiedene Messreihen und Experimente variiert zwischen etwa 0,2 und 0,5 Mikrometer. Die Feststellung einer exponentiellen Verteilung solcher Teilchen in Analogie zur Konzentration von Gasteilchen in der Atmosphäre führt Perrin, unter Berufung auf Léon Gouy, zur Hypothese, dass es sich bei der Brownschen Bewegung tatsächlich um eine Konsequenz der Stöße von Molekularteilchen der Flüssigkeit handelt (vgl. Nye 1972, S. 103). Interessanterweise waren diese frühesten Experimente Perrins noch weitgehend unabhängig von den später untrennbar mit seiner Arbeit verbundenen Abhandlungen Einsteins. Die Verifizierungen von in der statistischen Physik begründeten Vorraussagen zur Brownschen Bewegung, die Einstein, beginnend in seinem Annus mirabilis 1905, veröffentlichte, zählen aber ohne Frage, wie auch von Perrin schnell verstanden, zu seinen bedeutsamsten Errungenschaften. Dass Perrins Werk heute wie bereits durch prominente Zeitgenossen (Ernest Rutherford, Walter Nernst, Gösta Mittag-Leffler) als wesentlicher Schritt im Sinne der Verifizierung der atomistischen Weltanschauung angesehen werden kann (vgl. Bigg 2008, S. 320) ist wohl nicht zuletzt in der Präzision und Gründlichkeit fundiert, mit der Perrin experimentierte. Gouy, der seinerzeit ähnliches versucht hatte, gestand Perrin in einem Brief 1909: | + | Einer der frühesten Ansätze Perrins, der eine Brücke schlägt zwischen der Brownschen Bewegung und der kinetischen Gastheorie, beleuchtet die vertikale Verteilung der Dichte von Teilchen im Größenmaßstab beobachtbarer Brownschen Bewegung, über verschiedene Messreihen und Experimente variiert zwischen etwa 0,2 und 0,5 Mikrometer. Die Feststellung einer exponentiellen Verteilung solcher Teilchen in Analogie zur Konzentration von Gasteilchen in der Atmosphäre führt Perrin, unter Berufung auf Léon Gouy, zur Hypothese, dass es sich bei der Brownschen Bewegung tatsächlich um eine Konsequenz der Stöße von Molekularteilchen der Flüssigkeit handelt (vgl. Nye 1972, S. 103). Interessanterweise waren diese frühesten Experimente Perrins noch weitgehend unabhängig von den später untrennbar mit seiner Arbeit verbundenen Abhandlungen Einsteins. Beginnend in seinem annus mirabulis 1905 veröffentlichte dieser in der statistischen Physik begründete Voraussagen zur Brownschen Bewegung. Deren Verifizierungen zählen aber ohne Frage, wie auch von Perrin schnell verstanden, zu seinen bedeutsamsten Errungenschaften. Dass Perrins Werk heute wie bereits durch prominente Zeitgenossen (Ernest Rutherford, Walter Nernst, Gösta Mittag-Leffler) als wesentlicher Schritt im Sinne der Verifizierung der atomistischen Weltanschauung angesehen werden kann (vgl. Bigg 2008, S. 320) ist wohl nicht zuletzt in der Präzision und Gründlichkeit fundiert, mit der Perrin experimentierte. Gouy, der seinerzeit ähnliches versucht hatte, gestand Perrin in einem Brief 1909: |
*„I can tell you myself that, if it had not been for the difficulty which I perceived in preparing such granules, I would have more actively pursued my experimentation on Brownian movement“ (Nye 1972, S. 105) | *„I can tell you myself that, if it had not been for the difficulty which I perceived in preparing such granules, I would have more actively pursued my experimentation on Brownian movement“ (Nye 1972, S. 105) | ||
- | Wie genau und minutiös die Beobachtungen tatsächlich waren, wird insbesondere klar, wenn man sich diese Schwierigkeiten vor Augen führt und solche, die bei der Beobachtung von Teilchen dieser Größe selbst mit technischen Errungenschaften wie dem Ultramikroskop auftreten.Ist die Herstellung von Präparaten dieser Art eine Herausforderung für sich, liegt in der Beobachtung der Teilchen doch weiterhin eine Hürde, die die Simulation im Rahmen dieses Projekts im Weiteren zu veranschaulichen versuchen wird. Perrin „kann gleichzeitig nur die Teilchen genau sehen, welche sich in einer sehr dünnen (Größenordnung des [Mikrometer]) Horizontalschicht befinden.“ (Perrin 1910, S.33), was der geringen Feldtiefe des Mikroskops bei starker Vergrößerung zuzurechnen ist (ebd.). Die Beobachtung solcher Höhenschichten und die Zählung der Teilchen in diesen Schichten ist allerdings essentiell für die Beschäftigung mit der eingangs erwähnten Dichteverteilung und so stellt sich unweigerlich die Frage, wie es Perrin gelang, diese Teilchen, die „fortwährend verschwinden, während doch neue Teilchen auftauchen“ (ebd.) zu beobachten. | + | Wie genau und minutiös die Beobachtungen tatsächlich waren, wird insbesondere klar, wenn man sich diese Schwierigkeiten vor Augen führt und solche, die bei der Beobachtung von Teilchen dieser Größe selbst mit technischen Errungenschaften wie dem Ultramikroskop auftreten. Ist die Herstellung von Präparaten dieser Art eine Herausforderung für sich, liegt in der Beobachtung der Teilchen doch weiterhin eine Hürde, die die Simulation im Rahmen dieses Projekts im Weiteren zu veranschaulichen versuchen wird. Die untersuchten Proben sind stets dreidimensional, und das bringt einige Herausforderungen mit sich. Perrin „kann gleichzeitig nur die Teilchen genau sehen, welche sich in einer sehr dünnen (Größenordnung des [Mikrometer]) Horizontalschicht befinden.“ (Perrin 1910, S.33), was der geringen Feldtiefe des Mikroskops bei starker Vergrößerung zuzurechnen ist (ebd.). Die Beobachtung solcher Höhenschichten und die Zählung der Teilchen in diesen Schichten ist allerdings essentiell für die Beschäftigung mit der eingangs erwähnten Dichteverteilung und so stellt sich unweigerlich die Frage, wie es Perrin gelang, diese Teilchen, die „fortwährend verschwinden, während doch neue Teilchen auftauchen“ (ebd.) zu beobachten. \\ |
Anhand der gemeinsam mit der anderen Gruppe erarbeiteten grundlegenden Stoßsimulation und unter Vorraussetzung zumindest eines geringen Maßes an Übertragbarkeit erschien es uns zunächst sehr schwierig, unter diesen Umständen überhaupt Messungen durchzuführen. Der Anspruch der Übertragbarkeit muss natürlich sehr differenziert betrachtet werden, besonders in Bezug auf den erwähnten Prototypen des eigentlichen Projekts. Dennoch wurde uns beim Betrachten von den in dieser Version schon ausgeprägten chaotischen Zitterbewegungen zumindest klar, auf welchem Maßstab der Genauigkeit und vielleicht sogar in welchem Umfang Messungen dieses Phänomens geschehen müssten. | Anhand der gemeinsam mit der anderen Gruppe erarbeiteten grundlegenden Stoßsimulation und unter Vorraussetzung zumindest eines geringen Maßes an Übertragbarkeit erschien es uns zunächst sehr schwierig, unter diesen Umständen überhaupt Messungen durchzuführen. Der Anspruch der Übertragbarkeit muss natürlich sehr differenziert betrachtet werden, besonders in Bezug auf den erwähnten Prototypen des eigentlichen Projekts. Dennoch wurde uns beim Betrachten von den in dieser Version schon ausgeprägten chaotischen Zitterbewegungen zumindest klar, auf welchem Maßstab der Genauigkeit und vielleicht sogar in welchem Umfang Messungen dieses Phänomens geschehen müssten. | ||
- | Um die Verbindung zwischen Perrins Vorgehen und der fertigen Simulation (siehe unten) herzustellen, muss allerdings noch ein wenig weiter ausgeholt werden. | + | Auch andere Pioniere der physikalischen Chemie hatten Anteil am Diskurs um das Phänomen und seine Interpretation. |
- | Im Jahre 1908 untersuchte Victor Henri die Brownsche Bewegung anhand von 1 Mikrometer großen Teilchen und beobachtete außergewöhnlich große Verschiebungen, was im Widerspruch zu Einsteins Theorie zu stehen schien. Während viele französische Physiker annahmen, Einsteins Erklärung sei unvollständig, versuchte sich Perrin (der sich zu diesem Zeitpunkt bereits eingehend mit Einsteins Arbeit beschäftigt hatte) eines experimentellen Nachweises von Einsteins Formel. Dies hielt er unter anderem für möglich, da Henri den Durchmesser seiner Teilchen abschätzte und Perrin in der Lage war, ihn genau zu bestimmen. | + | Im Jahre 1908 untersuchte Victor Henri die Brownsche Bewegung anhand von 1 Mikrometer großen Teilchen und beobachtete außergewöhnlich große Verschiebungen, was im Widerspruch zu Einsteins Theorie zu stehen schien (vgl. Perrin 1910, S.55f.). Während viele französische Physiker annahmen, Einsteins Erklärung sei unvollständig, versuchte sich Perrin (der sich zu diesem Zeitpunkt bereits eingehend mit Einsteins Arbeit beschäftigt hatte) einer experimentellen Bestätigung von Einsteins Formel. Dies hielt er unter anderem für möglich, da Henri den Durchmesser seiner Teilchen abschätzte und Perrin in der Lage war, ihn genau zu bestimmen. |
Mithilfe seines Studenten Chaudesaigues unternahm er so eine Reihe von Experimenten, bei denen er die Avogadro-Konstante N mit Einsteins Formel bestimmte und das Ergebnis mit dem mithilfe einer erprobten Methode berechneten Wert verglich. | Mithilfe seines Studenten Chaudesaigues unternahm er so eine Reihe von Experimenten, bei denen er die Avogadro-Konstante N mit Einsteins Formel bestimmte und das Ergebnis mit dem mithilfe einer erprobten Methode berechneten Wert verglich. | ||
Chaudesaigues beobachtete zunächst 40 Körner mit einem Radius von 0,45 Mikrometern und zeichnete die Position eines Teilchens in einem Zeitraum von 2 Minuten alle 30 Sekunden auf, bevor er sich dem nächsten Teilchen zuwandte. So erhielt er den Wert 94*10^22 für N. | Chaudesaigues beobachtete zunächst 40 Körner mit einem Radius von 0,45 Mikrometern und zeichnete die Position eines Teilchens in einem Zeitraum von 2 Minuten alle 30 Sekunden auf, bevor er sich dem nächsten Teilchen zuwandte. So erhielt er den Wert 94*10^22 für N. |